Vollständiger Text von:

Jacobs, C. (1999). Gott umarmt uns durch die Wirklichkeit. Auswertung der Umfrage zum Selbstverständnis der Priester in der Diözese Paderborn. Erzbischöfliches Generalvikariat Paderborn.

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Gott umarmt uns durch die Wirklichkeit

Bericht zur Priesterumfrage der Diözese Paderborn


Auswertungsgruppe: Regens Dr. Peter Klasvogt, Subregens Peter Jochem, Präfekt Uwe Wischkony und Pastor Christoph Jacobs

Bericht erstellt durch: Pastor Christoph Jacobs, Dörenhagen

1 Vorbemerkung

"Gott umarmt uns durch die Wirklichkeit".

Wer daran geht, das lebendige Leben von Menschen angemessen in Worte und Zahlen zu übersetzen, braucht dafür ein Fundament, einen Kontext und eine Vision. Dies gilt in besonderer Weise für den Auftrag zur Bearbeitung und Auswertung der von Ihnen eingesandten Fragebögen mit Antworten auf Fragen zur Ihrem Dienst und Leben als Priester.

Das von Willi Lambert SJ, dem langjährigen Spiritual am Germanicum, entliehende Motto könnte ein solcher Horizont sein. Gott umarmt uns durch die Wirklichkeit. Was Sie uns mit Ihren Antworten aus Ihrem eigenen Leben überlassen haben, ist nicht irgendein Datenmaterial. Es ist eine Art und Weise Gottes, der Kirche und den Priestern in heutiger Zeit zu begegnen. Die Ernsthaftigkeit und Offenheit Ihrer Stellungnahmen hat alle beeindruckt, die an der Sichtung und Auswertung der Fragebögen beteiligt waren.

Es ist dabei Aufgabe des Auswerters, sich gegenüber den vorliegenden Aussagen mit größtmöglicher Anstrengung neutral zu verhalten. Das Ergebnis einer Befragung soll das Werk der einzelnen Befragten, also des gelebten Lebens sein. So kann die Wirklichkeit zu einem Sprachrohr Gottes werden. Es sei Ihnen versichert, daß wir uns nach bestem Wissen und Gewissen große Mühe gegeben haben, Ihren Erfahrungen und Anliegen in der Auswertung spirituell, menschlich und wissenschaftlich gerecht zu werden.

2 Zum Vorgehen und zur Methodik der Auswertung

Das Vorgehen bei der Auswertung war recht kompliziert und zeitaufwendig. Dies ist der Grund dafür, daß zwischen Befragung und dem hier vorliegenden Bericht ein Jahr verstrichen ist.

Um Ihnen das recht zeitaufwendige und komplizierte Vorgehen der Arbeitsgruppe bei der Auswertung in den Grundzügen transparent zu machen, werden die einzelnen zeitlichen und inhaltlichen Schritte des vergangenen Jahres im Anhang dokumentiert.

Die nun folgende Darstellung versucht, in einer Mischung aus Knappheit und absolut notwendigem erläuterndem Kommentar die wesentlichen Ergebnisse zur Sprache zu bringen.

Die laufende und abschließende Interpretation der Ergebnisse und vor allem die Analyse und Umsetzung der Konsequenzen gehört an dieser Stelle nicht zum Auftrag des Bearbeiters. Sie ist in die Verantwortung des jeweiligen Lesers und der Verantwortlichen gegeben.

3 Einblicke in die Gruppe der antwortenden Personen

Es waren etwa 1400 Geistliche im Verteilerkreis unserer Diözese, die den Fragebogen erhalten haben. Von den ca. 1000 bis 1100 realistischerweise für eine Beantwortung in Frage kommenden Angehörigen unserer Diözese haben 316 Personen den Fragebogen beantwortet. Davon sind ca. 300 Personen Priester, der Rest Theologiestudierende. Niemand hat angekreuzt, Diakon zu sein.

* Aufgrund der hohen Teilnehmerzahlen als auch aufgrund des Eindrucks, den die Auswertungsgruppe im ganzen gewonnen hat, ergibt sich sehr vorsichtig formuliert in der Befragung kein Grund zur Vermutung, daß die Untersuchung im großen und ganzen nicht repräsentativ für die Priester unserer Diözese sein könnte.

* Umgekehrt läßt sich positiv sagen: Es kann aufgrund des Einladungsschreibens mit Sicherheit davon ausgegangen werden, daß in den Antworten das repräsentative Bild derjenigen vorliegt, die am Priestersein und seiner guten Entwicklung in der Zukunft ein besonderes Interesse haben. 3.1 Altersstruktur

Bei der Altersverteilung ergibt sich eine recht regelmäßige Verteilung der Altersgruppen.

3.2 Tätigkeitsstruktur

Bei der Tätigkeitsstruktur ist interessant, daß neben dem Hauptanteil der Pfarrer auch eine große Gruppe vertreten ist, die von sich selbst sagt, primär in der Sonderseelsorge tätig zu sein.

3.3 Wohnform

* Bei der Frage nach der Wohnform zeigt sich, daß es zwei große Gruppen gibt: Diejenigen, die allein leben, und diejenigen, die nicht allein leben (mit Haushälterin oder in anderen gemeinschaftlichen Lebensformen). Der Anteil an den Lebensformen der Vita Communis und der Hausgemeinschaften ist dabei noch relativ gering.

Pfarrer leben zur Hälfte mit und ohne Haushälterin; Vikare, Sonderseelsorger und Pfarrvikare überwiegend ohne Haushälterin; wer sich als Subsidiar oder Ruheständler bezeichnet, gibt überwiegend die Wohnform mit Haushälterin an.

* Man könnte es auch anders sagen: Die jüngeren Priester leben fast ausschließlich ohne Haushälterin. Zwar nimmt der Anteil der Priester mit Haushälterin bei längerem Dienstalter zu, doch ergibt sich eine entscheidendere Veränderung erst in der Gruppe derjenigen, die ca. 25 Jahre geweiht sind.

4 Die Zufriedenheit der Priester mit ihrem Priestersein

Die Frage, die zuerst sicher am meisten interessiert und am schnellsten beantwortet werden kann, ist die nach der Zufriedenheit. Die Aufforderung lautete: "Schätzen Sie bitte auf der nachstehenden Skala den Grad Ihrer Zufriedenheit als Priester ein".

* Wie die Graphiken zeigen, liegt der Wert der Gesamtgruppe bei 7,8 Punkten auf der Skala der Zufriedenheit.

Eine genaue Begutachtung der Verteilung zeigt ein eindeutiges Schwergewicht auf den Zufriedenheitswerten 8-10 (203 Personen). Die so antwortenden Priester geben somit in der überwiegenden Mehrzahl an, mit ihrem Leben als Priester zufrieden bis sehr zufrieden zu sein.

* Selbstverständlich sind auch die Altersunterschiede interessant. Hier zeigt sich, daß die älteren Priester sich selber als zufriedener bezeichnen als die jüngeren.

Konstruiert man durch einen Schnitt zwischen den Weihejahrgängen 1969 und 1970 zwei große Gruppen der älteren (151 Personen) und der jüngeren Priester (127 Personen), so liegt die Zufriedenheit der jüngeren Priester bei einem Wert von 7,46 und die der älteren bei 8,24.

* Die unterschiedliche Zufriedenheit bei den jüngeren und den älteren Priestern ist aus statistischer Sicht signifikant, d.h. er kommt nicht als ein zufälliges Untersuchungsergebnis zustande, sondern liegt aller Wahrscheinlichkeit nach in der Realität tatsächlich vor.

Denkbar wäre es allerdings, daß eine solche Differenz an Zufriedenheit zwischen jüngeren und älteren Menschen auch sonst in der Bevölkerung gefunden würde. Das hieße dann, daß dieses Ergebnis wenigstens z.T. auch auf eine mögliche allgemeine Abnahme der Lebenszufriedenheit bei jüngeren Menschen zurückgeführt werden könnte.

Für aufmerksame Beobachter ergibt sich schnell die Frage, ob neben dem Alter nicht auch die Form zu wohnen und zu leben in einem Zusammenhang mit der Zufriedenheit stehen könnte auch wenn diese Zahlen aufgrund der geringen Anzahl der Personen in den Gruppen "vita communis und "Hausgemeinschaft" nur Hinweisspuren darstellen können.

* Hier lautet die Antwort: Zumindest bei den vorliegenden Zahlen ist ein Zusammenhang erkennbar. Die größere Lebenszufriedenheit der Priester, die nicht allein leben, steht dabei offensichtlich nicht nur im Zusammenhang mit einem früheren Weihejahrgang, sondern auch mit ihrer gemeinschaftlichen Lebensform.

Eine vorsichtige Analyse der Bedeutung des jeweiligen Tätigkeitsfeldes drängt darüber hinaus die Vermutung auf, daß die Gruppe der Priester, die sich selber vorwiegend mit Aufgaben in der Sonderseelsorge beauftragt sieht, eine größere Lebenszufriedenheit als die Gruppe der Pfarrer und als die Gruppe der Vikare besitzt.

5 Die Antworten zu den offenen Fragen des Fragebogens

5.1 "Wir brauchen heute Priester, die "

Ziel dieser ersten Frage war es herauszufinden, welche Grundlagen, Lebenskonzepte und Zielvorstellungen Sie für Ihre priesterliche Existenz heute als bedeutsam erachten.

In der Durchsicht der Antworten fällt auf, daß es möglich und naheliegend ist, alle Ihre Antworten in genau den Dimensionen zu erfassen, die in dem Grundentwurf für die Ausbildung zum Priester ("ratio nationalis") als bedeutsam angesehen werden. Es sind: das Zeugnis durch die personale Existenz, das Zeugnis des geistlichen Lebens und das Zeugnis in der pastoralen Tätigkeit oder funktional gesprochen die "personale Kompetenz", die "spirituelle Kompetenz" und die "pastorale Kompetenz".

* Die Ergebnisse zeigen, daß Sie gesamthaft dem existentiellen Zeugnis und der personalen Kompetenz als Grundlage, Lebenskonzept und Zielvorstellung priesterlicher Existenz (Dimension 1) das höchste Gewicht verleihen. Danach folgen die spirituelle (Dimension 2) und pastorale Dimension (Dimension 3).

In der ersten Dimension finden sich die folgenden Inhalte Ihrer Aussagen (in der Reihenfolge der Gewichtung):

Ausstrahlung der Person (20%);

die Fähigkeit zur Deutung der Zeichen der Zeit (16%);

Einfühlungsvermögen (15%);

Kommunikationsfähigkeit (12%)

Autonomie und Durchsetzungsfähigkeit (11%)

seelische Gesundheit (9%)

Professionalität (9%).

Zur zweiten Dimension gehören u.a.:

Frömmigkeit, geistliches Leben (29%);

Gottes- und Christusbeziehung (25%);

Gebet (10%) u.a.

In die dritte Dimension fallen:

Nähe zu den Menschen (19%);

Verkündigung des Glaubens (15%);

Liebe zu Kirche, Papst und Tradition 12%);

Begleitung von Menschen (11%);

Dienen (7%) u.a.

Versucht man auf der Basis Ihrer Antworten Schwerpunkte für Wurzeln und Vision priesterlicher Existenz zu benennen, so könnte man sagen:

* 1. Wir brauchen Priester, die ein geistliches, frommes, im Gebet verwurzeltes Leben führen, und eine gestaltete Gottes- und Christusbeziehung besitzen.

* 2. Wir brauchen Priester, die Ausstrahlung haben, die Fähigkeit zur Deutung der Zeichen der Zeit und kommunikativ-empathische Kompetenz besitzen, sich angemessen durchsetzen können, gesund und professionell sind.

* 3. Wir brauchen Priester, die in Nähe zu den Menschen leben, sie begleiten und ihnen dienend den Glauben in der Tradition der Kirche verkünden.

5.2 "Bei meinem Entschluß, Priester zu werden, hat mich entscheidend bewegt "

Die Motivationsstruktur zu Beginn des priesterlichen Weges ist entscheidend für die gesamte priesterliche Existenz und bedeutsam für künftige Priester. Daher interessieren sich vor allem die Verantwortlichen der Priesterausbildung dafür, wer und/oder was Sie motiviert hat, Priester zu werden. Auch aus theologischer Sicht muß immer neu gefragt werden, durch wen und durch was Gott seine Priester heute beruft.

Die Antwort ist so eindeutig wie kaum eine andere: Sie nennen an allererster Stelle priesterliche Vorbilder (bei 44%).

Dann folgen die Erfahrung von Gemeinde, vor allem die Jugendarbeit (gesamt ca. 32%), Familie (18%), die Freude am Dasein für die Menschen (17%) und an der Liturgie (14%).

Versucht man wiederum, alle Antworten in sinnvolle Dimensionen zu fassen und diese zu gewichten, so ergibt sich folgendes Ergebnis: Bei dem Entschluß Priester zu werden, bewegen:

* zuerst Menschen (Priester, Familie),

* dann Visionen und Ziele priesterlicher Existenz (Dasein für Gott und die Menschen, Freude an der Liturgie),

* dann die Erfahrung von Gemeinde und ihrer Lebensformen (Jugendarbeit),

* und schließlich der Glaube selbst (z.B. Wahrnehmung von Berufung).

5.3 "Wenn mich jemand fragt, ob er Priester werden soll, würde ich ihm sagen "

Bei dieser Frage gingen Ihre Antworten mit ungefähr gleicher Gewichtung in drei grundsätzliche Richtungen:

Gruppe 1: Sie äußern sich zu Wegen der Berufungsfindung;

Gruppe 2: Sie formulieren Kriterien der Eignung zum Priester;

Gruppe 3: Sie machen Aussagen über Chancen und Probleme priesterlichen Lebens.

An dieser Stelle sollen aus allen drei Gruppen diejenigen Aussagen ausgewählt werden, die am häufigsten genannt worden sind:

An erster Stelle focussieren Sie existentielle bzw. menschliche Kriterien der Berufungsfindung (24%: z.B. gute Motivationsklärung, Ermutigung zum eigenen Weg, Sich-Zeit-Lassen), dann kommen spirituelle Kriterien (20%: z.B. geistliches Leben, Gebet usw.).

Wesentlich ist Ihnen das eigene personale, priesterliche Angebot zu Begleitung und Gespräch (19%) auf dem Weg der Berufungsfindung.

Als Kriterien der Eignung nennen Sie die Liebe und Vertrauen zu Gott (15%), dann ein Sich-Berufen-Wissen (10%), Belastungsfähigkeit, Mut und Treue (10%), Sich-Gott-Überlassen, Liebe zu den Menschen und die Bereitschaft zum Dienen u.a.

Zu den Aussagen über den Beruf gehören die Verheißung von Sinnerfüllung (14%), die Ermutigung "Es lohnt sich!" (13%), aber auch die Ankündigung "Bedenke die Konsequenzen: Es kommen Krisen!" (12%) und der Hinweis auf negative Aspekte des Priesterseins (8%) durch die Schattenseite von verrechtlichter Kirche, Bistum usw.

Bei der Durchsicht Ihrer Antworten haben die Auswerter versucht, aus Ihren Aussagen eine Art "Schätzwert der Motivierung zum Priestersein" zu ermitteln, mit der Sie einem Interessenten für das Priestertum entgegentreten würden. Dieser Wert liegt als Mittelwert für die gesamte Gruppe der Antwortenden auf einer zehnstufigen Skala bei 6,5.

* Bedeutsam für die Interpretation dieses Wertes ist es, daß der Wert kaum abhängig ist vom Alter der Priester, sondern vom Grad ihrer eigenen Zufriedenheit mit dem Priestersein. Bei eigenen Zufriedenheitswerten zwischen 8 und 10 liegt der Schätzwert für die Motivierung anderer bei 7 (203 Personen), bei Werten unter 8 liegt er bei 5,7 (86 Personen).

5.4 "Mich belastet bei meinem priesterlichen Dienst vor allem "

Die Kenntnis der Faktoren, die Sie in Ihrem priesterlichen Dienst am meisten belasten, ist bedeutsam für mögliche Hilfestellungen und aktive Anstrengungen zur Verhinderung und Verminderung von Problemen durch die Diözese. Gleichzeitig werden die Verantwortlichen in der Priesterausbildung in die Lage versetzt, auf problematische Herausforderungen menschlich und spirituell besser vorzubereiten.

Wer nach Belastungen erkennen will, kann in zwei Richtungen fragen:

1. Wo liegt die Quelle der Belastungen? Wie hoch ist das Gewicht der Belastungen, die aus dieser Quelle herkommen?

2. Was ist der Inhalt der Belastungen? Welche Belastungsinhalte wiegen am schwersten?

Zu Frage 1: Wo liegt die Quelle der Belastungen? Wie hoch ist ihr Gewicht?

Gefragt ist hier nach dem "Verursacher" der Belastungen. In Ihren Antworten wurden sechs unterschiedliche Belastungsquellen (Verursacher) deutlich. Die Nennung erfolgt in der Bedeutsamkeit des ermittelten (hier schematisiert dargestellten) Belastungsgewichtes:

Zu Frage 2: Was ist der Inhalt der Belastungen?

Es wurde zunächst versucht, aus Ihren Antworten die inhaltlichen Brennpunkte von Belastung herauszukristallisieren. Obwohl die Entscheidung nicht einfach war (und manchmal war es schwer, den Inhalt und die Quelle der Belastung zu trennen), wurde die Vielzahl der Belastungsfaktoren schließlich fünf Problemkreisen zugewiesen:

* (1) strukturelle Probleme (z.B. Verwaltung, Komplexität des Priesterseins, Perspektivlosigkeit in der Diözese usw.);

* (2) soziologisch-gesellschaftliche Probleme (z.B. Unklarheit und mangelnde Akzeptanz der Priesterrolle, Abhängigkeiten von "oben" und "unten" usw.);

* (3) Probleme mit direkter Belastung der Motivation (z.B. mangelnde Wertschätzung von "oben" und von "unten", mangelnder Erfolg, Einsamkeit, Grenzen der Leistungsfähigkeit usw.);

* (4) kommunikative Probleme (z.B. problematisches Verhalten von Mitbrüdern, Konflikte mit Mitbrüdern, Vorgesetzen, Gemeinde usw.)

* (5) arbeitsorganisatorische Probleme (Zeitdruck, Überforderung, Vereinzelung usw.).

Gewichtet man diese fünf inhaltlichen Problemkreise unter der Fragestellung: "Was belastet am meisten?, Was tut am meisten weh?", so zeigt sich die größte Belastung im Problemkreis (3) "Motivation", dicht gefolgt vom Problemkreis (1) "Strukturen" .

Als einzelne Belastungsinhalte werden die folgenden Punkte am meisten genannt:

Abhängigkeit und mangelnde Wertschätzung "von oben" (20%);

Verwaltung und als "seelsorgsfremd" empfundene Tätigkeiten (19%);

problematisches Verhalten der Mitbrüder (16%);

Überforderung in der Arbeit, hoher Erwartungsdruck (13%);

Grenzen der eigenen Person, ihrer Leistungsfähigkeit (11%);

strukturelle Perspektivlosigkeit (10%);

Probleme mit der Glaubwürdigkeit des Priesterseins in der Gesellschaft (9%);

Einsamkeit (9%).

5.5 "Mich fasziniert / befriedigt am Priesterberuf am meisten "

Welche Kräfte sind es, die heute im Priestersein Kraft für Leben und Alltag geben?

* Faszination und Befriedigung durch Priestersein gehen für Sie zuerst und vor allem von dem geistlichen Auftrag für die Menschen aus, den Sie im Priestersein wahrnehmen.

Dieser Auftrag liegt in seinem "faszinierendem Gewicht" weit vor den anderen vier Dimensionen der Wahrnehmung der eigenen Berufung, den Erfahrungen in der Pastoral, der Wahrnehmung der Vielfalt von Kontakten/Bezügen und schließlich der Selbstentfaltung der eigenen Person.

Zu dieser ersten Dimension gehören:

die Feier der Liturgie, die Sakramentenspendung (30%);

die Wegbegleitung einzelner Menschen im Leben und im Glauben (17%);

die Sendung zu den Menschen und die dadurch ermöglichte priesterliche Nähe zu ihnen (17%)

der Verkündigungsauftrag (13%).

Weitere Erfahrungen von Faszination und Befriedigung aus den anderen Dimensionen haben ihre Wurzeln in

der Vielfalt der Seelsorge und dem Raum zu Gestaltung und Kreativität (24%);

der Ermöglichung der Begegnung von Mensch zu Mensch (15%);

der eigenen Gottes- und Christusbeziehung (14%).

5.6 "In schwierigen Zeiten hat mir geholfen "

Was trägt Sie als Priester von heute in schwierigen Zeiten?

Als tragenden Grund und Kraftquellen nennen Sie vor allem zwei Dimensionen:

* Es sind andere befreundete Menschen und gelebte Spiritualität. Dabei räumen Sie in der Zusammenschau des Unterstützungspotentials hilfreichen Menschen den Platz vor der Spiritualität ein. Weit dahinter folgen die Dimensionen von Selbstmanagement der eigenen Person, Entspannung und Ihren beruflichen Kompetenzen.

Nimmt man die Kraftquellen einzeln in den Blick, so sind diese bereits in tabellarischer Aufstellung nach der Prozentzahl der Nennungen leicht zu interpretieren:

Gebet (42%);

Freunde, Freundinnen, Bekannte (38%);

Mitbrüder (32%);

Gottvertrauen, Glaube (14%);

Eucharistie (15%)

Exerzitien, Meditation, geistliche Übungen, Stille (11%);

Gemeinde (10%);

Priestergemeinschaften, geistliche Gemeinschaften (10%).

So weitgefächert das Spektrum der Antworten bei den anderen Fragen des Fragebogens auch ist, so eindeutig zentriert sind die Aussagen in der Antwort auf die Frage nach dem, was trägt.

* Wesentlich ist: Für Sie sind es an erster Stelle die Freundschaften und dann betendes Sich-Verankern, was Ihnen Fundament und hilfreichen Begleitschutz in Belastungs- und Krisensituationen bietet. Dabei stellen die Mitbrüder eine besonders erwähnenswerte "Klasse" von Freunden dar. Das Gebet und weitere spezielle Grundformen von spirituellem Leben stehen der Freundschaft wohl weniger nach, als daß sie eine vollkommen andere Dimension von Verankerung repräsentieren.

5.7 "Es wäre für die Lebensform des heutigen Priesters hilfreich, wenn "

Für die Priesterausbildung, für das Bistum und für die Priester selbst ist es wichtig, die Bedingungen, Faktoren und Wünsche zu kennen, die von Priestern vor Ort als hilfreich für die heutige Lebensform als Priester erachtet werden.

In der Auswertung zeigte sich, daß Sie mit Ihren Antworten eine Art "Kaleidoskop von Anforderungen" entworfen haben, wobei sich vier Schwerpunkte bildeten:

a) Anforderungen an die eigenen menschlichen Eigenschaften, b) Anforderungen an eigene spirituelle Praxis, c) Anforderungen an spezielle Adressatenkreise und d) Anforderungen an strukturelle Bedingungen priesterlichen Lebens.

* Das Schwergewicht legten Sie auf die Herstellung bzw. Veränderung von Strukturen, die nach Ihrer Ansicht bessere alltägliche Rahmenbedingungen priesterlichen Lebens ermöglichen könnten.

Dann folgten Anforderungen an bestimmte Adressatengruppen (z.B. an das Bistum oder die Mitbrüder) und schließlich (recht weit abgeschlagen) die Formulierung bestimmter hilfreicher Persönlichkeitseigenschaften und hilfreicher spiritueller Bedingungen (z.B. die Gewichtung des geistlichen Lebens).

Folgende Anforderungen standen in der Rangfolge ganz oben sie seien an dieser Stelle als "Wunsch" formuliert:

der Wunsch nach der Vita Communis als Lebensform (25%);

der Wunsch an die Mitbrüder nach einem mitbrüderlichen, menschlichen Umgang (17%);

der Wunsch nach praxisnahen pastoralen Kompetenzen durch Ausbildung und Fortbildung (12%);

der Wunsch, die Zulassungsbedingungen zum priesterlichen Amt zu überdenken (12%);

der Wunsch nach geistlichem Austausch mit den Mitbrüdern (10%);

der Wunsch einer qualitativ hochstehenden priesterlichen Lebenskultur mit den entsprechenden Kompetenzen zur Lebensbewältigung (10%);

zahlreiche Wünsche an das Bistum nach Verbesserung von praktischen Rahmenbedingungen (z.B. Regelungen von Ruhestand und der Frage der Haushälterin 10%), Abbau struktureller Überforderung (8%), fachlicher Unterstützung (7%), Verbesserung von Personaleinsatz und Personalführung (5%) und nach Verbesserung des Kommunikationsstils (5%).

* Diese Zusammenstellung vermittelt den Eindruck, daß der Förderung der strukturellen und personalen Voraussetzungen gelebter Mitbrüderlichkeit höchste Priorität eingeräumt werden muß , wenn Priestern von heute Hilfen für ihr Priestersein zur Verfügung gestellt werden sollen. Vom Bistum erwarten Sie, daß es Strukturen bereitstellt, die Praxisnähe und die Orientierung an der Person (nicht der Funktion) des Priesters erleichtern und garantieren.

5.8 "Angenommen, die Gestalt des Priesterberufes stünde gänzlich zur Disposition: Was müßte sich unbedingt ändern?"

Selbstverständlich ist es weder theologisch sinnvoll noch in der kirchlichen Wirklichkeit zu erwarten (wie 12 Mitbrüder mit Recht anmerken), daß die Gestalt des Priesterberufes gänzlich zur Disposition gestellt würde. Trotzdem können die Antworten auf diese bewußt spekulative Frage Hinweispunkte darauf sein, ob überhaupt und wenn ja, dann an welchen Stellen im Bewußtsein der Priester Brennpunkte mit hohem Diskussions- oder Veränderungsbedarf bestehen.

* Zunächst gilt es festzuhalten: Die Tatsache, daß bei dieser Frage am häufigsten ein Leerraum blieb (12% der Mitbrüder), oder die Antworten "weiß nicht" (6%) bzw. ausdrücklich "nichts" (5%) lauteten, dürfte als Indikator für eine grundsätzliche Zustimmung zum inneren Kern der priesterlichen Identität aufzufassen sein. Dafür spricht auch, daß nur bei dieser (und der parallel gestalteten folgenden) Frage das Gewicht für "keine Antwort" einen interpretierbar hohen Wert erreicht.

Aus den inhaltlich genauer bestimmbaren Antworten lassen sich fünf Brennpunkte herausarbeiten: Fragen a) der konkreten Lebensformen im Alltag, b) der Pastoral, c) der kirchlichen Strukturen, d) des Ordo und f) der Ausbildung. Als zwei große Zentren kristallisierten sich die Focussierung auf Fragen des Ordo und auf Fragen der strukturellen Bedingungen kirchlichen Lebensalltags heraus. Prägnante Stellungnahmen gibt es konkret zu folgenden Punkten:

zur Diskussion des Plichtzölibats (28% z.B. "Muß auf jeden Fall aufgehoben werden" bzw. "Darf auf keinen Fall aufgehoben werden, selbst wenn sich alles ändert");

zur Forderung nach Entlastung von Verwaltungsaufgaben, um "mehr Seelsorger sein zu können" (19%);

zur Forderung nach lastenteilendem, synodalem, mitbrüderlichen Umgang unter Berücksichtigung der Verantwortung der Laien (13%);

zur Forderung nach einer stärkeren geistlichen Prägung (10%);

zur Diskussion des Priestertums der Frau: ja oder nein (10%);

zur Forderung nach Abbau priesterlichen Selbstbezugs (8%);

zur Diskussion um die Viri Probati (8%).

Wie die Gesamtauswertung zeigt, ist es neben dem Diskussionszentrum des Ordo mit den drei o.g. Fragestellungen vor allem der Problemkreis der aktuellen kirchlichen Strukturen , der in einem breiten Spektrum diskutiert und vor allem mit hohem Veränderungsbedarf ausgestattet wird.

5.9 "Angenommen, die Gestalt des Priesterberufes stünde gänzlich zur Disposition: Was dürfte sich auf keinen Fall ändern?"

Bei dieser letzten Frage, die parallel zur vorherigen formuliert ist, ergibt sich erwartungsgemäß eine vergleichbare Antwortstruktur. Der Anteil derjenigen, die diese Frage offen gelassen haben, steigt hier allerdings auf knapp 25 Prozent.

* An die oberste Position des Grundbestandes priesterlicher Existenz stellen Sie das geistliche Profil priesterlichen Lebens (19%).

Dann folgen der Zölibat (17%), verschiedene Akzente in der Grundstruktur des Priesteramtes (14% z.B. Weihepriestertum, Sukzession, Priesterweihe nur für Männer usw.), bestimmte priesterliche Handlungen oder Ausdrucksformen (Brevier, Beichte, tägliche Eucharistie), das Dasein für die Menschen (8%) und eine gute, umfassende Ausbildung (6%). Wesentlich ist hier, daß neben unverzichtbaren Elementen des Ordo auch einzelne fundamental wichtige Elemente der konkreten Lebensform thematisiert werden. Schließlich wird auch die Bedeutsamkeit der geistlich-mystischen Dimension der Kirche von fünf Prozent der Mitbrüder ausdrücklich als unverzichtbares Fundament priesterlicher Existenz in den Blickpunkt gerückt.

6 Schlußbemerkung

"Gott umarmt uns durch die Wirklichkeit".

Die Auswertung Ihrer Antworten auf die Fragen des Fragebogens war ein spannender, vor allem auch ein geistlicher Weg. Die Arbeitsgruppe, jeder einzelne für sich und die Gruppe als ganze, ist durch Ihre Antworten zum Nachdenken und zu vielen Gesprächen über die Fundamente und die Zukunft von Priestersein heute angeregt worden.

Der Bericht wird nun Ihnen und den Verantwortlichen in die Hände gelegt. Die eigentliche Interpretation und vor allem die Überlegungen in Richtung auf mögliche Konsequenzen stehen nunmehr an. Das Ergebnis der Befragung ist ein kostbarer Schatz und ein Kapital für zukünftige Entwicklungen.

Wenn auch bei Ihnen der Eindruck entstanden ist, daß mit dem nun vorliegenden Bericht viele neue Gespräche und neue Wege beginnen könnten, dann dürfte sowohl Ihre als auch unsere Arbeit für unser Priestersein und unsere Diözese Früchte tragen.

* Alle Mitglieder der Arbeitsgruppe stehen Ihnen und Ihren Dekanatskonferenzen für Gespräche über die Ergebnisse der Befragung und ihre möglichen Konsequenzen zur Verfügung.

Kontaktadresse:

Pastor Christoph Jacobs, Dipl. Theol., Liz. Phil. (Klin. Psych.)

Kirchborchener Str. 42

D-33178 Borchen-Dörenhagen

Tel: +49-5293-930505

Fax: +49-5293-930504

Christoph_Jacobs@compuserve.com

7 Dokumentation

7.1 Der Zeitablauf und das Vorgehen bei der Auswertung

Zeitablauf

Januar: Die von Ihnen verschickten Fragebögen werden im Leokonvikt und Priesterseminar gesammelt.

Februar bis März: Der Text und die Zahlen aller Fragebögen werden von Mitarbeiterinnen des PWB und des Priesterseminars originalgetreu in den Computer eingegeben. Dadurch wird die Anonymität sichergestellt.

April bis Mai: Es wird eine Arbeitsgruppe gebildet, welche die weiteren Auswertungsschritte ausarbeiten und durchführen soll. Dazu gehören Regens Dr. Peter Klasvogt, Subregens Peter Jochem, Präfekt Uwe Wischkony und Pastor Christoph Jacobs (fachliche Leitung, Computerauswertung, Bericht).

Juli und September: Die Arbeitsgruppe und eine Gruppe von Diakonen und Priesteramtskandidaten werten die Fragebögen inhaltlich und zahlenmäßig aus.

November: Die zahlenmäßige Auswertung wird von Mitarbeiterinnen des PWB und des Priesterseminars in den Computer eingegeben.

Dezember: Die Daten (etwa 120000 Zahlen) werden auf dem Computer analysiert, ausgegeben und in Worte und Graphiken rückübersetzt.

Das inhaltliche und methodische Vorgehen:

Die vorliegenden Stellungnahmen werden von der o.g. Arbeitsgruppe sorgfältig gelesen und gemeinsam besprochen. Die Arbeitsgruppe beschließt, die Antworten nach dem wissenschaftlichen Verfahren der sogenannten "qualitativen Inhaltsanalyse" auszuwerten. Dies ist ein Verfahren, welches erfahrungsnahen und lebendigen Einzelaussagen am ehesten gerecht wird.

Die Arbeitsgruppe erarbeitet auf der Basis der vorliegenden Antworten (!) pro Frage diejenigen Dimensionen und Kategorien, die für die Auswertung bedeutsam sind.

Die Arbeitsgruppe und ihre Mitarbeiter bearbeiten die Fragebögen gemäß den aus den Daten erhobenen Kategorien.

Zur Erreichung einer größtmöglichen Objektivität wird jeder Fragebogen von je zwei Auswertern gemeinsam bearbeitet.

Die Textdarstellung der Auswertung wird zur Überprüfung gegengelesen.

7.2 Literatur

Lambert, W. (1998). Gott umarmt uns durch die Wirklichkeit. Mainz: Grünewald.

Bortz, J. (1993). Lehrbuch der Statistik: für Sozialwissenschaftler. Berlin: Springer.

Mayring, P. (1996). Einführung in die qualitative Sozialforschung. Eine Anleitung zum qualitativen Denken. München: Psychologie Verlags Union.

7.3 Das Anschreiben zur Befragung

7.4 Der Fragebogen